Spielplatz mit Flatterband abgesperrt, um Covid-19 nicht zu verbreiten

Gesperrter Spielplatz in Deutschland, März 2020 (Foto: Imke Brodersen)

Die Pandemie Covid-19 hält die Welt in Atem. In Deutschland ist das öffentliche Leben durch die Coronakrise massiv ausgebremst. Nach hektischen Großeinkäufen aus Sorge vor einer 14-tägigen Quarantäne mit der gesamten Familie verlagert sich das Leben ins Haus. Wer kann, arbeitet im Homeoffice, Kindergärten, Schulen und Universitäten, aber auch Hotels und Restaurants sind geschlossen. Auch alle öffentlichen Veranstaltungen  wie Messen, Kongresse, Konferenzen und vieles mehr sind abgesagt.

Jayne Fox und ich möchten in den kommenden Wochen berichten, wie die Menschen in Deutschland und Neuseeland mit der derzeitigen Situation umgehen. Dabei geht es auch (aber nicht nur) um die aktuelle Terminologie und um zuverlässige Quellen, die gegenwärtig hilfreich sind.

Deutsche Terminologie

Wer auf Medizin spezialisiert ist, achtet natürlich aufmerksam auf alle Nachrichten zu Gesundheitsthemen. Als ich sah, in welchem Tempo die Infektionen mit dem neuartigen Corona-Virus Sars-CoV-2 (auch: 2019-nCoV; „2019-novel Corona-Virus“, also ein neuartiges Coronovirus, das Ende 2019 erstmals auffiel) und die dadurch teilweise erzeugte Lungenkrankheit Covid-19 (auch: COVID-19, von der englischen Bezeichnung „corona virus disease 19“) ansteigen, habe ich als Nicht-Mathematikerin ansatzweise begriffen, was exponentielles Wachstum ist.

Quellen zu Covid-19

Gut verständliche Erklärvideos zur Ausbreitung gibt es von 3Blue1Brown auf YouTube vom 8.3.2020 (Untertitel in mittlerweile 31 Sprachen) und in einem Artikel von mit vier Simulationen denkbarer Szenarien vom 14.3.2020 von Harry Stevens bei der Washington Post (ohne Bezahlschranke, weil dieser Artikel so wichtig ist).

Die zuverlässigste deutschsprachige Quelle für die medizinische Terminologie und Informationen über die Erkrankung selbst ist das Robert-Koch-Institut (RKI). Ergänzend hierzu sendet der norddeutsche Rundfunk (NDR) seit dem 26. Februar an jedem Werktag einen Podcast mit Professor Dr. med. Christian Drosten, Leiter des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, zu wissenschaftlichen Fragen. Dieses tägliche Coronavirus-Update (frühere Folgen) kann man später als PDF herunterladen, um es in Ruhe zu lesen. Und die besten Erklärstücke zum Coronavirus weltweit hat der Tagesspiegel zusammengestellt und erklärt.

Wie reagieren die Menschen?

Erste Reaktionen waren Hamsterkäufe, Corona-Partys und eine in ganz Europa zu beobachtende Flucht ans Meer, ob nach Süditalien und Sizilien, nach Südspanien und auf die Kanaren oder in Deutschland an die Küsten und auf die Nordseeinseln. Allerdings machten diese rasche Verschiebung und neue Durchmischung von Menschen mancherorts strenge Ausgangssperren und auch Reiseverbote erforderlich.

Im Internet lauten die Schlagworte nun #SocialDistancing, #wirbleibenzuhause und natürlich immer noch #flattenthecurve. Im Alltag und in den Zeitungen heißt die Devise: „Abstand halten, „Bleibt zu Hause“ und „die Kurve abflachen“. Es herrscht keine absolute Ausgangssperre, aber es gelten überall Ausgangsbeschränkungen und Abstandsregeln: Von Menschen, die nicht zum eigenen Haushalt gehören, sollen wir mindestens 1,50 Meter Abstand halten. Spielplätze, Parks, Zoos und andere öffentliche Orte sind gesperrt. Man darf zwar weiterhin Sport im Freien treiben, aber eben nur allein oder mit der Kernfamilie. Spaziergänge, Radfahren und Joggen sind erlaubt, längeres Verweilen an einem Ort unerwünscht.

Die sozialen Kontakte werden natürlich nicht abgebrochen, sondern verlagern sich in den häuslichen Bereich, ins Telekommunikationsnetz und ins Internet. Überall entstehen örtliche und überregionale Netzwerke und neue informelle Gruppen auf Facebook, WhatsApp oder Telegram und über diverse Dienste. Auf diese Weise organisiert sich die Nachbarschaft neu, denn wir möchten diejenigen unterstützen, die plötzlich selbst in Quarantäne sitzen oder zu den Risikogruppen zählen.

Ideen aus dem Alltag

Überall gibt es ehrenamtlich organisierte Bringdienste mit kreativen Übergabemethoden (Bestellungen im Garten ablegen). Manche Menschen, deren Arbeitgeber schließen müssen, arbeiten in Supermärkten oder auf den Feldern. Tierpensionen, die normalerweise Tiere von Urlaubern pflegen, nehmen Tiere von Erkrankten auf, die längere Zeit ausfallen (in meinem Keller liegt jetzt eine Tasche mit ausreichend Hundefutter und allem Nötigen bereit, um im Zweifelsfall den Hund für mehrere Wochen in seine gewohnte Pension zu „evakuieren“). Handwerker fertigen Schutzschirme für das Kassenpersonal in den Supermärkten an, Buchhandlungen und Restaurants liefern ins Haus. Ganz Deutschland durchläuft gerade eine exponenzielle Lernkurve bezüglich Telearbeit, Webinare und Videokonferenzen.

Eine sehr schöne Idee hatte ein Mann, der für seine Mutter einkaufen ging – mit dem Handy und Videochat. So konnte sie im Laden die Waren sehen und auswählen und in der Apotheke persönlich kommunizieren. Da medizinische Atemschutzmasken Mangelware sind, nähen kleine Schneidereien und Privatleute als Notbehelf waschbare Stoffmasken. Dadurch möchte man das Risiko senken, versehentlich andere anzustecken, falls man selbst infiziert ist, aber noch keine Symptome zeigt. Zum eigenen Schutz tragen solche Masken nicht bei, aber bei sachgemäßer Handhabung könnten sie helfen, die Mitmenschen besser vor Covid-19 zu schützen.

Um Kindern die Situation zu erklären, hat die Stadt Wien ein Erklärvideo (2 Minuten) produziert, das mit Untertiteln in neun Sprachen versehen ist: Deutsch, Englisch, Arabisch, Albanisch, Persisch, Rumänisch, Serbisch, Tschechisch und Türkisch (Stand 29. März 2020).

Trauerphasen für die gesamte Gesellschaft?

Die Coronakrise verlangt den Menschen psychisch sehr viel ab. Kürzlich las ich auf  der Plattform Middle East Eye einen Artikel von Mohamed Hassan über den Trauerprozess nach dem Attentat von Christchurch. Daraufhin überlegte ich, dass die Menschen – individuell und in ihren jeweiligen Gruppen – derzeit offenbar vergleichbare Reaktionen auf diese unübersichtliche Stresssituation entwickeln.

Aus ihren „Gesprächen mit Sterbenden“ leitete die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross im 20. Jahrhundert fünf typische Phasen der psychischen Verarbeitung bei der Konfrontation mit dem eigenen Tod ab. Diese Phasen, die nicht nur die Sterbenden selbst, sondern in etwas anderer Form auch die Angehörigen durchlaufen, gliedern sich in „Nicht-Wahrhaben-Wollen“ (Schockphase, Leugnen, Verdrängen), Zorn (inklusive Schuldzuweisungen), Verhandeln, Depression (mit Angst und Trauer) und schließlich Akzeptanz.

Die zeitliche Abfolge ist dabei unterschiedlich, die Phasen werden nicht unbedingt linear durchlaufen, und manche wiederholen sich. Möglicherweise sind es normale psychische Prozesse bei dem, was wir gerade erleben. Diese These hilft vielleicht, besser zu verstehen, warum manche Menschen (oder wir selbst) momentan mitunter irrational reagieren.

Vor diesem Hintergrund haben Jayne und ich unseren Blog reaktiviert und möchten an dieser Stelle darüber sprechen, wie die Menschen in unserem Umfeld reagieren und wie sie diese Herausforderung bewältigen – ich berichte auf Deutsch, Jayne Fox auf Englisch.